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Hans Urs
von Balthasar

Hans Urs von Balthasar

Auszug aus "Historisches Lexikon der Schweiz" 2002, hrsg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Band 1, Schwabe & Co AG, Basel
S. 695: "Hans Urs von Balthasar, geb. 12.8.1905 Luzern, gest. 26.6.1988 Basel, kath., von Luzern. Sohn des Oskar Ludwig Carl, Kantonsbaumeisters, und der Gabriele geb. Pietzker-Apor, aus der ungar. Fam. der Barone Apor de Altorja. Bruder von Renée. Nach Gymnasialstud. In Engelberg und im österr. Feldkirch (1916–23) studierte B Germanistik und Philosophie in Wien, Berlin und Zürich (1929 Promotion bei Robert Faesi) und trat 1929 in den Jesuitenorden ein. 1931–33 studierte er Philosophie in Pullach bei München. 1934–37 Theologie in Lyon-Fourvière. 1936 Priesterweihe. Prägend wurden die Begegnungen mit Philosophen und Theologen aus dem Jesuitenorden wie Erich Przywara, Jean Danielou und Henri de Lubac. Nach kurzer redaktioneller Mitarbeit an der Ordenszeitschrift "Stimmen der Zeit (München, 1938–39) wurde er 1940 Studenten- und Akademikerseelsorger in Basel. 1945 gründete er mit Adrienne von Speyr das Säkularinst. der Johannesgemeinschaft. Durch seine weitgespannte Vortragstätigkeit und eine ausserordentl. grosse Zahl philosoph. und theol. Publikationen wurde er zum Vermittler abendländ. Geisteserbes. Als Schriftsteller und Verlagsleiter lebte er zuerst in Zürich, dann in Basel. B trat 1950 aus dem Jesuitenorden aus, weil dieser ihn für die Aufgaben des von ihm gegr. Inst. nicht freistellte.
Seine theol. Inspiration und Orientierung fand B. bei den Kirchenvätern und den grossen Mystikern und Glaubenszeugen der Kirche. Zugleich horchte er die Literatur seiner Zeit, insbes. diejenige des Renouveau catholique – Charles Péguy, Paul Claudel, Georges Bernanos und Reinhold Schneider – auf die Gottesfrage hin ab. Als erster kath. Theologe von Rang setzte er sich mit Karl Barth (1951) auseinander, mit dem er den Absolutheitsanspruch Gottes in der modernen Theologie vertrat. Diese theol. Einstellung und seine weitblickende Schau einer "unverschanzten" Kirche machten B. zu einem der aktivsten Wegbereiter des 2. Vatikan. Konzils im dt. Sprachraum. Durch seine scharfsinnige Kritik an nachkonziliaren Entwicklungen gewann B. eine internat. Ausstrahlung, die im Kontrast zu seiner bescheidenen Rezeption in der Schweiz stand. Sein bereits durch den Umfang aussergewöhnl. Werk – über 100 eigene Buchpublikationen, zahlreiche Aufsätze und Übertragungen theol. und literar. Werke aus versch. europ. Kulturkreisen – lässt sich nur schwer auf einen Nenner bringen. B.s Auseinandersetzung mit der dt. Philosophie fand frühen Ausdruck im dreibändigen Werk "Die Apokalypse der dt. Seele" (1937–39). Theol. Hauptwerk ist sein fünfzehnbändiges Tryptichon, in dem er die Offenbarung Gottes nach den ihm zukommenden Eigenschaften des Schönen, Guten und Wahren entfaltet: Herrlichkeit (1961–69), Theodramatik (1973–83) und Theologik (1985–87). Wegweiser zu seinem vielschichtigen, in die meisten europ. Hauptsprachen übersetzten Werk ist sein Essay "Mein Werk" (1990). Eng verbunden mit seinem Schaffen ist dasjenige der Basler Ärztin und Mystikerin Adrienne von Speyr, deren Werke er herausgab. Ausserdem betreute B. als Herausgeber 13 versch. Schriftenreihen, war Begr. des Johannes-Verlags in Einsiedeln sowie Mitbegr. der internat. kath. Zeitschrift "Communio". Zahlreiche Ehrungen zeugen von seiner nationalen und internat. Reputation: Innerschweizer Kulturpreis (1956), Goldenes Kreuz des hl. Berges Athos (1965), Ehrendoktorwürden der Univ. Edinburg (1965), Münster (1965), Freiburg (1967) und der Catholic University of Washington (1980), Romano-Guardini-Preis der Kath. Akad. Bayern (1971), Salzburger Mozart-Preis (1987), Gottfried-Keller-Preis der Martin-Bodmer-Stiftung Zürich. Papst Johannes Paul II. ernannte B. am 28.5.1988 zum Kardinal; B. starb jedoch drei Tage vor der Übergabe des Kardinalbiretts.
Lit.: In der Fülle des Glaubens: Hans Urs von B., hg. von M. Kehl, W. Löser, 1980. M Jöhri. Descensus Dei, 1981. Hans Urs von B., Gestalt und Werk. hg. von K. Lehmann, W. Kasper, 1989. Hans Urs von B.: Bibl. 1915–1990, 1990. LThK 1, 1993. 1375–1378. E. Guerriero. Hans Urs von B., 1993 (ital. 1991).

Victor Conzemius